Pressemitteilung: Drohendes “german vote” zur EU-Gasrichtlinie verhindert Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft

Das Europäische Parlament hat am 15.03.2023 einen sehr guten Vorschlag zur Novellierung der EU-Gasrichtlinie (GasRL-E) vorgelegt. Damit wird dem ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission vom 15.12.2021 mit einer nahezu vollständigen eigentumsrechtlichen Trennung der künftigen Wasserstoffnetze von den Erdgasnetzen die Rote Karte gezeigt. Zu scharfe Entflechtungsvorgaben haben fatale Folgen für den Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft.

Die Forderungen des EU-Parlaments umfassen insbesondere eine Angleichung der Regulierung der Fernleitungsnetz- und Verteilnetzbetreiber bei Wasserstoff an die etablierten Regelungen im Strom- und Gassektor und somit auch Ausnahmen von der scharfen Entflechtung von Wasserstoffnetzen für vertikal integrierte Verteilnetzbetreiber (De-minimis-Regelung).

Entscheidend ist nunmehr die Positionierung des Europäischen Rates im anstehenden Trilog-Verfahren. Und hier droht durch das „german vote“ von Bundeskanzleramt und Bundeswirtschaftsministerium ein schlechter Kompromiss.

Der schlechte Kompromiss scheint zwei Kernelemente zu beinhalten: Die Pflicht zur eigentumsrechtlichen Trennung von Erdgas- und Wasserstoffnetzen soll zugunsten der Fernleitungsnetzbetreiber durch eine Entfristung des sog. ITO-Models entschärft werden und für lokale Energieversorger soll der zeitlich befristete Betrieb von geographisch abgegrenzten Wasserstoffnetzinseln ermöglicht werden.

Diese Änderungen helfen den Verteilnetzbetreibern aber nicht, obwohl an ihre Netze ca. 1,5 Millionen Industrie- und Gewerbekunden angeschlossen sind.

Regionale und lokale Verteilnetzbetreiber können das auf Fernleitungsnetzbetreiber zugeschnittene ITO-Modell nicht nutzen. Und der Betrieb von separierten Wasserstoffnetzinseln, die keine Anbindung an das geplante europäische Wasserstoffnetz haben dürfen und zudem zeitlich befristet sind, ist wirtschaftlich und strukturell für regionale und lokale Verteilnetzbetreiber nicht darstellbar.

Prof. Christian Held, Vizepräsident der GEODENicht nur Stadtwerke und Kommunen könnten damit beim Markthochlauf keine Rolle spielen, auch der Markthochlauf selbst wird massiv behindert, weil der schnelle Ausbau der Infrastruktur auch durch Transformation von Gasverteilnetzen nicht möglich wäre“. Dies hätte negative Konsequenzen für die Energiewende, für die Beschäftigten der Stadtwerke sowie auch für die flächendeckende Versorgung kleinerer Industrieanlagen und Gewerbebetriebe, so Prof. Christian Held. Setzt sich die EU-Kommission durch, werden die Gasverteilnetze schlicht abgewickelt.

Der Vorschlag des EU-Parlaments enthält zudem eine sehr wichtige Ergänzung: Gefordert wird die Erstellung einer lokalen Gasnetzentwicklungsplanung durch die Verteilnetzbetreiber. Die lokale Gasnetzentwicklungsplanung ist ein wichtiger Baustein zu einer ganzheitlichen Transformationsstrategie in den Gemeinden und Kommunen. Prof. Christian Held betont: „Dies schließt die Lücke zur überregionalen Planung und gewährleistet eine integrierte Erdgas-Wasserstoffnetzplanung „bottom up“, die durch die kommunale Wärmeplanung rechtlich verankert werden kann“.

Für das deutsche Versorgungssystem sind die Vorschläge des EU-Parlaments zielführend. Es ist daher entscheidend, dass diese in den anstehenden Trilog-Verhandlungen auch von der Seite des Rates Gehör finden. Es ist daher dringend geboten, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie das Bundeskanzleramt als Ständiger Vertreter ihr Gewicht im Europäischen Rat einbringen mit dem Ziel, die kommunalen Energieversorgungsunternehmen von den überbordenden Entflechtungspflichten konkret auszunehmen und eine strukturelle und integrierte lokale Gasnetzplanung zu gewährleisten.